7./8. November 2025 in Arnstadt
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7./8. November 2025 in Arnstadt

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Nachdem sich der BDM über viele Jahre hinweg auf der Grünen Woche in Berlin aktuellen Themen gewidmet hatte, war es im Herbst 2025 Zeit für Veränderungen: Mit dem Symposium „,Hü oder Hottʻ – Handlungsspielraum oder Duldungsstarre für die Landwirtschaft?“ präsentierte der BDM eine Veranstaltung, an der alles neu war: der Ort, der Zeitpunkt und das Format. Am 7. und 8. November 2025 traf man sich in thüringischen Arnstadt, um in der Stadthalle mit angrenzendem Hotelpark und Brauerei verschiedene Vorträge zu hören, zu diskutieren und natürlich auch gemeinsam gemütliche Stunden zu genießen.
Nachdem sich die anreisenden Teilnehmer am liebevoll aufgebauten Buffet mit Bratwurst und Steak vom Grill gestärkt hatten, eröffnete BDM-Vorstand Karsten Hansen um kurz nach 13 Uhr die Veranstaltung und begrüßte alle herzlich.
Zum Auftakt: ein Blick in die Praxis aus der Perspektive eines Junglandwirts
Ehe die drei Referenten des ersten Tages ihre Impuls-Vorträge hielten, hatte jedoch ein Mann aus der Praxis das Wort: Zum Thema „Marktsituation und Zukunftsperspektive – Ein Blick in die Praxis“ berichtete der 35-jährige Junglandwirt Markus Böckler über seine Erwartungen an die Politik und die Auswirkung von Marktkrisen für seinen Betrieb. Den Landwirtschaftsmeister und Agrarbetriebswirt aus dem Oberallgäu treibt die Frage um, in welche Richtung er seinen Betrieb entwickeln soll. „Ich will Unternehmer sein“, bekräftigte Böckler, „aber dann brauche ich im Schnitt der Jahre auch vollkostendeckende Preise.“ Eine bessere Junglandwirteprämie und die Agrardieselrückvergütung seien nicht die Rettung der Landwirtschaft. Hierbei handle es sich lediglich um Flickenwerk, mit dem Löcher gestopft werden, wo es doch viel größere Hebel gibt. „Ich erwarte von der Politik Rahmenbedingungen, die gewinnbringende Milchpreise ermöglichen“, so Böckler.
Kurz-Input zur aktuellen Marktsituation
In Vertretung für den erkrankten Jens Scherb übernahm Hans Foldenauer die Moderation des weiteren Nachmittags und setzte mit einem kurzen Überblick zum aktuellen Marktgeschehen ein Ausrufezeichen. Untermauert mit zahlreichen Daten und Grafiken legte er dar, wie sich das Verhältnis von Milcherzeugungskosten und Milchpreis in den entwickelt hat. Marktschwankungen seien normal, allerdings seien die besseren Phasen zwischen den schlechten Phasen immer zu kurz, um sich wirtschaftlich wirklich zu erholen. „Wenn sich an der aktuellen Marktlage nichts verändert, dann steht im Januar 2026 die ,3ʻ vor dem Komma“, prophezeite Foldenauer und stellte klar: „Die BDM-Bauern wollen sich verändern, sie brauchen dafür aber entsprechende Rahmenbedingungen.“
Weiterentwicklung erwünscht – aber auch möglich? Agrarpolitik im Check
Als erster der drei Referenten sprach Professor Dr. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, zum Thema: „Mit Kühen Geld verdienen und das Klima & Umwelt schonen – geht das überhaupt? Warum Grünland-Milch für Klima- und Ressourcenschutz politisch fördern?“ Einer der Schwerpunkte seiner Ausführungen war das Thema Grünland/Grünland-Milch und in diesem Zusammenhang die Landnutzungseffizienz (LUE: Land Use Efficiency). „Mit der Tierhaltung müssen wir von guten Ackerflächen runter, da die für Ernährung gebraucht werden. Ziel muss sein: Mit Grünland maximale Leistung zu erzielen“, so Professor Taube. „Wir haben mit den Kühen die Möglichkeit, aus nicht-essbarem Protein hochwertiges tierisches Protein zu erzeugen.“ Taube plädierte für eine echte Grünlandmilch, aktuell sei das Grünland meist nur Strukturlieferant und werde nicht so gepflegt, wie es sein müsste. Und das Futter der Kuh komme zunehmend vom Acker, d.h. „die Kuh ist ein Nahrungsmittelkonkurrent des Menschen“. Seine Schlussfolgerung lautete dann auch: „Grünland-Milch ist klimaschonend“, es brauche ein neues Label: Klima-Milch vom Grünland, diese vermeide Umweltkosten im Vergleich zur Maismilch.
Der zweite Redner, Björn Fromm, Präsident des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels BVLH, erörterte das Thema: „Trägt der Lebensmittelhandel seinen Kampf um Wettbewerbsvorteile auf dem Rücken der Landwirtschaft aus?“ Der Vizepräsident Dt. Handelsverband Einzelhandel betreibt selbst EDEKA-Läden und ist Vorstand der ZKHL (Zentrale Koordination Handel Landwirtschaft). „Ohne Landwirtschaft gibt es keinen Handel. Ohne Handel gibt es aber auch keinen preisstabilen Absatzweg“, so Fromms Credo. „Der Handel ist kein Gegner der Landwirtschaft, sondern ein Partner im gemeinsamen System. Wir wollen Perspektiven bieten.“ Die Zusammenhänge seien aber komplex. „Die Molkereien bitten darum, mehr Menge abzunehmen, da die Läger voll sind. Das Problem wird selbst geschaffen, da immer mehr angeliefert wird.“ Mehr Menge könne nur über einen günstigeren Preis abgesetzt werden. Fromm machte deutlich: Der BVLH trete für eine starke Landwirtschaft ein, auch für Förderung. Der LEH versuche, die Wippe in Balance zu halten: Landwirtschaft/Tierwohl/Nachhaltigkeit vs. bezahlbare Verbraucherpreise.
Als letzte Rednerin trat Renate Künast, Bundesministerin a.D., auf die Bühne und referierte zur Frage: „Wie hat sich die Agrarpolitik in den vergangenen Jahren verändert? Wie viel Veränderung wäre nötig?“ Global gesehen, so bemerkte sie zu Beginn, habe die Nutztierhaltung einen Anteil von 12 Prozent an den Treibhausgasen, in Deutschland sei dieser Prozentsatz jedoch sehr viel geringer. Nötig wären insgesamt net zero (Netto Null), die Landwirtschaft müsse selbst Klimaschützer sein. Dafür stelle die Politik aktuell jedoch nicht die richtigen Weichen. „Wir haben im Augenblick nicht nur einen Roll-Back in vielen Bereichen, wir haben ein trojanisches Pferd“, konstatierte Künast. Bürokratieabbau sei das trojanische Pferd, es komme hinten heraus, dass Klimaschutz, Artenvielfalt, Wasserschutz, Düngerecht ausgehebelt werden und am Ende die Großen verdienen. Dies sei die Fortsetzung von „wachse oder weiche“. Dieses trojanische Pferd müsse delegitimiert werden. Wichtig war es Künast festzustellen: „Die Landwirtschaft ist kritische Infrastruktur.“ Für eine neue Zukunftsausrichtung der Agrarpolitik sei nun Verschiedenes nötig: Es müssten Bündnisse geschlossen werden. Nötig sei ein „Reden über den Rohling“, d.h. Werbung für „Milch pur“, für Regionalität, die nämlich unterscheide die deutschen Milchbauern von internationalen Playern. Ganz wichtig sei: Vermiedene Umweltkosten müssten unbedingt sichtbar gemacht machen.
Podiumsdiskussion: Wie muss eine visionäre Agrarpolitik gestaltet sein? Bewertung der aktuellen Politikmaßnahmen
Landwirte – nur Spielball der Marktkräfte? Wie kann den Landwirten echter Handlungsspielraum verschafft werden?
Nach den Input-Vorträgen der drei Referenten entwickelte sich eine lebhafte Diskussion auf der Bühne, und auch aus dem Publikum wurden zahlreiche Fragen an die Podiumsteilnehmer gestellt. Neben Überlegungen, wie man die Politik dazu bringen könne, dass sie sich schneller bewegt (Renate Künast verwies hier wieder auf den Aspekt kritische Infrastruktur), kamen der Preisverfall und wie er zu stoppen sei, zur Sprache (laut Björn Fromm vor allem über Mengenreduktion). Auch die CO2-Belastung war Thema, dabei sei, meinte ein Teilnehmer des Symposiums, die Landwirtschaft doch nur ein kleiner Teil beim CO2-Ausstoß, „das ärgert mich. Es ist doch einfacher, dass man keine Fernflüge mehr tätigt, als dass die Landwirtschaft etwa 40 Prozent weniger Rinder hält.“ Nach zahlreichen weiteren Fragen gab Professor Taube einen abschließenden mutmachenden Impuls: „Man kann wissenschaftsbasiert mit Grünland-Milch durchaus in kleineren Betrieben arbeiten.“
„Bauern müssen Werkzeuge bekommen, Kosten weiterzugeben.“
Nach einem kurzen Dankeswort von BDM-Vorstandsvorsitzenden Karsten Hansen fasste Manfred Gilch, BDM-Vorstand, die Podiumsdiskussion engagiert zusammen: „Wir als BDM wollen v.a. das Unternehmertum ausleben. Langfristig muss eine Kostendeckung bei den Preisschwankungen gegeben sein. Wir produzieren Lebensmittel, nicht Stahl o.Ä.“ Der aktuellen Agrarpolitik stellte er ein vernichtendes Urteil aus, sie sei:
– rückwärtsgewandt: zurück zu Flächenprämien;
– mutlos: keine Vision nach vorne, so auch bei Weidepflicht;
– einseitig: in ihrer Ausrichtung auf den DBV.
Mit der jetzigen Agrarpolitik dürfe und könne es nicht weitergehen. Ein Rahmen, in dem Milchviehhalter agieren können, sei noch nicht gegeben. „Bauern müssen Werkzeuge bekommen, Kosten weiterzugeben.“ Mehr Mut sei gefragt, etwas wagen. Es brauche mutige Politiker. Es brauche Agrarpolitik, die die Interessen aller abbildet. Aktuelle Agrarpolitik dürfe nicht weiter Empfehlungen etwa der ZKL ignorieren. „Ich denke, wir müssen auch regelmäßig wieder auf die Straße gehen,“ so Gilch. „Das Wichtigste ist, dass die Bauern die Möglichkeit haben, dass sie Kosten weiterleiten zu können. Wir müssen große Schrauben drehen.“
Er kündigte an: „Im Januar setzen wir vom BDM in München mit einer Aktion ein starkes Signal, damit wir wieder Schwung in die Agrarpolitik bringen. Einen starken ländlichen Raum gibt es nur mit starken Bauern, starke Bauern gibt es nur mit starker Agrarpolitik.“
Um zu untermalen, was BDM-Vorstandsmitglied Manfred Gilch mit viel Verve deutlich gemacht hatte, versammelten sich mehrere Bäuerinnen und Bauern zum Abschluss des Podiums auf der Bühne und hielten große Werkzeugschlüssel in die Luft – ein eindrückliches Zeichen dafür, dass die Bauern Werkzeuge brauchen, um ihren Markt im Gleichgewicht zu halten und dafür an den entsprechenden großen Schrauben gedreht werden muss.
Gemütlicher Abend in den Gewölben der Stadtbrauerei
Nach dem emotionalen und inhaltlich vielschichtigen Nachmittag trafen sich am Abend alle angereisten BDMler bei einem leckeren Buffet im Gewölbekeller der „Remembar“ der Stadtbrauerei. Später spielte nebenan noch ein DJ auf, es wurde getanzt, Tischkicker gespielt und auch die Verkostung des Milchlikörs kam nicht zu kurz. Alles im allen war es ein wunderschöner Abend in der Gesellschaft Gleichgesinnter, die hier auch einmal die Möglichkeit hatten, sich privat auszutauschen und einfach die gemeinsame Zeit zu genießen.
Samstag – der Praxistag
Der Samstag begann im Saal der Stadthalle Arnstadt mit einem Morgenimpuls und Einstieg für alle Teilnehmer.
Zunächst stellte Andreas Broßmann, GF Lely-Center Weidatal, das Portfolio der Firma Lely vor, um einen Überblick zu geben, wie weit die Automatisierung im Kuhstall schon fortgeschritten ist bzw. was in diesem Bereich heute möglich ist. Durch die Automatisierung könne, so Broßmann, die Stallphilosophie von Lely umgesetzt werden, die da lautet: Freier Kuhverkehr, so habe man Ruhe im Stall und in der Herde. Insgesamt sei die Lebensleistung der Kuh höher bei freiem Kuhverkehr (es gebe weniger Stress im Stall, weniger Herdenrangeleien beim Melken und beim Futter), durch den Roboter habe der Landwirt im Idealfall mehr Zeit für die Herde.
Workshops am Samstagvormittag
Den weiteren Vormittag prägten dann zwei Workshops, an denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr rege beteiligten.
• Workshop 1 „Grünland – Vom Boden zur Milch – mehr Effizienz = mehr Gewinn“ (Referent Hans Koch)
Zu diesem Workshop brachten die Teilnehmer eigene Untersuchungsergebnisse von Futter-, Gülle- und Bodenanalysen für die Interpretation in der Arbeitsgruppe mit. Wichtig sei, so Hans Koch, dass man sich klar mache, welche Zielwerte im Grünland erreicht werden sollten. Erst wenn das feststehe, könne ein Weg dorthin gefunden werden. Die Teilnehmer des Workshops zeigten sich von den Inhalten und der Art, wie Hans Koch sein Wissen weitergab, begeistert und äußerten den Wunsch, diesen Workshop mit weiteren Modulen fortzusetzen.
• Workshop 2 „KI in der Landwirtschaft“ (Referent: Maik Ludwig, Chief Technical bei Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und konventioneller Nebenerwerbslandwirt)
Maik Ludwig sprach zunächst über KI im Bereich Futtermittelerzeugung und stellte die Projekte am DFKI vor, dem größten öffentlich finanzierten KI-Forschungszentrum der Welt. Ein vollautomatisches System, bei dem sich der Landwirt um nichts mehr kümmern muss, sei aktuell jedoch noch Zukunftsmusik. Probleme wie Umfelderkennung, -wahrnehmung (Hindernisse), Prozessmonitoring und -diagnose sowie Selbstmonitoring und -diagnose (Defekte, Staub, Schmutz, Überwachung von Saatgut/Düngefluss) seien noch nicht vollständig gelöst. Auch das Problem der Zertifizierung bzw. der Sicherheitsaspekt (Haftung) stelle eine große Herausforderung dar. Aber er stellte auch klar: „Die Landwirtschaft war schon immer ein Innovationstreiber.“ Neben Fragen der Wirtschaftlichkeit sprachen die Workshop-Teilnehmer auch neuralgische Punkte in Bezug auf KI-Lösungen in der Landwirtschaft an wie z. B. Datensicherheit und Datenhoheit. Maik Ludwig plädierte dafür, idealerweise eine Lösung zu wählen, die ohne Cloud funktioniert (Edge Computing) und open source ist.
Bei der abschließenden Präsentation der Workshop-Arbeit im Plenum wurde deutlich, dass KI auch im Grünland-Workshop ein wichtiges Thema war, dem die Milchbauern wohl in Zukunft noch öfter begegnen werden. Alles in allem war es ein prall gefüllter Vormittag, aus dem die Teilnehmer beider Workshops viele praktische Tipps und Impulse für ihre Betriebe mitnehmen konnten.
Abschließend bedankten sich Karsten Hansen und Jutta Weiß für die aktive Mitwirkung und baten um ein erstes Feedback für das neue Format. Das Votum fiel einhellig aus: Alle Anwesenden zeigten sich begeistert. Als neuer Termin für das nächste Symposium wurde Ende Januar 2027 festgelegt, wieder in der Stadthalle Arnstadt.
Gestärkt durch Weißwurst und Breze sowie Bockwurst und Nudelsalat machten sich die Milchbäuerinnen und Milchbauern am Samstagmittag auf den Heimweg. Das Symposium der kurzen Wege, da waren sich alle einig, ist ein Format mit Zukunft.
Wer sich das Symposium ansehen will, kann dies auf unserem Youtube-Kanal tun: