MV: 9. BDM-Milchbauerntag in Karow am 24. Februar 2016

Milchmarkt 2016: Krise auf dem Höhepunkt – Wir können nicht mehr lange am Bedarf vorbei produzieren (Karow/M-V). Am Mittwochnachmittag, den 24. Februar 2016, folgten über 250 Gäste der Einladung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter e.V. zum Thema „Krise auf dem Höhepunkt – Chance für neue Wege“ in das Rinderzuchtzentrum der RinderAllianz in Karow.

Christian Karp, BDM-Landesvorsitzender M-V, begrüßte Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus und die weiteren Podiumsgäste. „Auf dem Milchmarkt sehen wir neue Preistiefstände. Wir können nicht mehr lange am Bedarf vorbei produzieren. Ist die Krise jetzt auf dem Höhepunkt oder geht es noch weiter runter? Bietet die existenzbedrohende Situation eine Chance für neue Wege?“, mit diesen Fragen führte Karp in die Veranstaltung ein.

Landwirtschaftsminister Backhaus sprach von einer bedrohlichen Krise, in der sich jetzt die Milch- und Schweinehalter befinden. Er gab zu, dass das Preistief ungewöhnlich lange anhält. Als Gründe für den Preisrutsch zog er die allgemeine Marktschwäche und zusätzliche politische Restriktionen wie dem Russland-Embargo heran. Der Minister wies daraufhin, dass 5 % der Milchviehhalter in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr die Milchviehhaltung eingestellt haben. Dabei suchte Backhaus nach Auswegen und argumentierte. „Die Milchquotenregelung ist seit fast einem Jahr Geschichte und die Verantwortung liegt seit dem bei den Marktpartnern“. Aus seiner Sicht gelang es den Betrieben trotz umfangreicher Vorbereitungen nicht, sich auf die Situation nach dem Quotenende vorzubereiten. Dabei schilderte Backhaus, dass betriebsindividuelle Maßnahmen wie Kostensenkung, Investitionen, Diversifizierung oder Spezialisierung und Innovation demnach nicht ausreichend waren, um die Krise abzumildern. Einerseits will Backhaus mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeiten und prüfen, ob es Preisabsprachen zwischen den großen Einzelhandelsketten in der Lebensmittelbranche gegeben habe. Anderseits begrenzen sich die staatlichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung auf wenige Instrumente wie private Lagerhaltung und Intervention. Für den Landwirtschaftsminister ist es jetzt wichtig, dass die Liquidität auf den Betrieben erhalten bleibt. Leider sah Backhaus nicht ein, dass der EU-Milchmarkt strukturell in der Schieflage sei. Von den Vorschlägen des BDM e.V., den Milchmarkt mit effektiven Instrumenten zur Krisenbewältigung zu erweitern, nahm er Abstand. Dagegen sorgte bei vielen Landwirten die Aussage von Minister Backhaus für Unverständnis, dass jetzt bei den Marktteilnehmern Verantwortungsbewusstsein und Kreativität gefragt sei.

Im Anschluss an den Minister schilderte Dr. Sven Gruppe, ADT-Herdenmanagementberater Deutsch-Chinesisches Kooperationsprojekt zur Weiterentwicklung der Rinderzucht in China,  die landwirtschaftlichen Entwicklungen in China. Die Milchproduktion ist durch den Aufbau großer Betriebe und Konzerne mit einer vertikalen Integration geprägt. Dabei sind sowohl die Milchpreise als auch die Produktionskosten doppelt so hoch wie in Deutschland. Die Bestrebungen der chinesischen Regierung bestehen darin, die inländische Produktion zu erhöhen und Einfluß auf die Steuerung der Importe zu gewinnen. Dabei betonte Grupe, dass die Ernährungssicherung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen und sicheren Lebensmitteln allerhöchste Priorität habe. Dabei betonte Dr. Sven Gruppe in seinem Vortrag, „falls die Entwicklungen entsprechend vorangetrieben werden, wandelt sich China vom Import- zum Exportland“.

Der Tierarzt Olaf Skoeries, Tierarztpraxis Dahmen, sprach mahnende Worte auf dem Milchbauerntag in Karow. „Die Rahmenbedingungen passen einfach nicht mehr“, äußerte sich der Veterinär. Dabei betonte er, „Auszahlungspreise von 24 Cent/kg Milch halten die Landwirte nicht lange durch. Sie werden gezwungen im Stall an allen Ecken und Kanten zu Lasten der Kühe zu sparen. Euter- oder Klauenentzündungen werden dann wegen schlechter Haltung und übermäßigen Melkens häufiger, Arbeitskräfte werden gespart, und der Tierarzt wird seltener gerufen“. Die massiven Kostensenkungen bleiben nicht ohne Folgen, erklärte er. Für ihn ist es unverständlich, warum das Problem der Überproduktion nicht in den Griff bekommen werden soll.

Für große Aufmerksamkeit sorgte der Vortrag des Beraters Tim Koesling, Koesling Anderson GmbH. Aus seiner Sicht müssen die Milchviehhalter bei sinkenden Milchpreisen ihre Produktionskosten im Blick haben. Der Berater sieht Spielraum für Einsparungen bei der Fütterung, Fruchtbarkeit und dem Herdenmanagement. Für Koesling tritt der Bauer als Kaufmann in Erscheinung und sollte genau kalkulieren können. „Rein wirtschaftlich müsse sich der Landwirt die Frage stellen, ob er die Tierhaltung weiterführen will“, so der Berater.

Kjartan Poulsen, Milchviehhalter in Dänemark und Vorstandsvorsitzender Landsforeningen af Danske Mælkeproducenter, berichtete von der betrieblichen Entwicklung der dänischen Milchviehhalter und wies auf deren katastrophale wirtschaftliche Lage hin. Poulsen bezeichnete es als eine Schieflage in der Agrarpolitik, „dass ohne Subvention bei uns kein Betrieb überleben kann“. Weiter argumentierte er, „dass die Bauern in Dänemark Arla ausgeliefert sind und keine andere Möglichkeit haben, ihre Milch anderweitig zu verkaufen“.

„Wir müssen die Überproduktion in den Griff bekommen und entsprechend die Menge anpassen“, erklärte BDM-Bundesvorstandsmitglied Karsten Hansen. Die Milchviehhalter haben Instrumente vorgeschlagen, um auf die nachlassende Nachfrage reagieren zu können, erklärte Hansen. „Es ist unverständlich, dass das BDM-Krisenmanagementkonzeptpapier von den Politikern bei Seite geschoben wird mit der Begründung, es sei nicht realisierbar“, betonte der Milchviehhalter. Vor allem sei die Verwunderung umso größer, weil einige Molkereien ihre Mitglieder aufrufen, weniger zu produzieren. Dabei erzielen Insellösungen einzelner Verarbeitungsbetriebe nicht den gewünschten Effekt für den EU-Milchmarkt. In diesem Zusammenhang betonte Hansen, „dass die Liquiditätsdarlehen alle vier Jahre irrsinnig sind, wenn im drei Jahresrhythmus die Milchkrisen stattfinden und die Bauern die in Anspruch genommenen Kredite nicht zurückzahlen können“. Aus diesem Grund erwarten die Milchviehhalter jetzt politische Rahmenbedingungen für die Gestaltung eines nachhaltigen europäischen Milchmarktes.

Zum Thema:

Milchpreis – Wie gelingt die Trendwende? – mv1.tv

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