Sonderagrarministerkonferenz: Ministerinnen und Minister müssen mehr können als die Umverteilung öffentlicher Gelder

Kurzfristig wurde die für den 24. bis 26. März angesetzte reguläre Agrarministerkonferenz, die per Videokonferenz stattfinden sollte, abgesagt und eine Fortsetzung der Sonderagrarministerkonferenz mit persönlicher Präsenz der Ministerinnen und Minister am 25. März in Berlin angesetzt. Die Bäuerinnen und Bauern des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. haben daher kurzfristig umorganisiert und begleiten nun mit einer Bild-Aktion die Ankunft der Ministerinnen und Minister am Tagungsort in Berlin (ab 15 Uhr vor dem Estrel-Hotel, Sonnenallee/Ziegrastraße, 12057 Berlin).

Mit Blick auf die andauernde GAP-Diskussion lautet die Botschaft der Milchbäuerinnen und Milchbauern an die tagenden Agrarminister/innen: „Ohne Umsteuern der EU-AgrarMARKTPolitik bleiben der Erhalt einer vielfältigen, bäuerlichen Landwirtschaft, mehr Tierwohl, Klimaleistungen, Umweltschutz und mehr Biodiversität eine Illusion! Kostendeckendes Einkommen über den Markt nötig!“
Um ihr Einkommen vorrangig durch den Markt erzielen zu können, brauchen die Milchbetriebe aber eine deutlich bessere Marktstellung als bisher. Dafür braucht es politische Unterstützung – das ist eine zentrale Forderung an die Ministerinnen und Minister. Mit der Umverteilung von öffentlichen Geldern ist es längst nicht getan.
Für die bäuerlichen Betriebe steht viel auf dem Spiel, das verdeutlichen sie mit einer bildlichen Aktion unter dem Motto „Ohne bessere Marktstellung geht unsere Zukunft den Gully runter“: Symbolisch fließt Milch in den Gully.
Die Gemeinsame Agrarpolitik GAP muss an den Zielen des so genannten „Green Deal“ und den Klimaschutz- und Biodiversitätszielen der „Farm-to-Fork-Strategie“ ausgerichtet werden, um alle Instrumente sinnvoll zu verzahnen. Dabei darf aber ein so elementarer Bereich wie die Marktpolitik nicht so konsequent wie bisher unberücksichtigt bleiben. Die Marktpolitik ist Ursache für den Intensivierungsdruck in der Landwirtschaft mit seinen negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Wenn man nicht bereit ist, an den Ursachen etwas zu verändern, wird man auch die Probleme der Landwirtschaft nicht in den Griff kriegen. Auch in der Marktpolitik sind daher entsprechende Weichenstellungen im Sinne der Landwirtschaft vorzunehmen.

„Bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik muss ein besonderes Augenmerk auch auf die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Marktordnung gelegt werden. Für uns Bäuerinnen und Bauern ist absolut unverständlich, dass es keine Diskussionen darüber gibt, wie man zu den Beschlüssen des EU-Parlaments hinsichtlich der Erweiterung des Sicherheitsnetzes für EU-Agrarmärkte steht, die im Oktober vergangenen Jahres gefasst wurden. Das EU-Parlament hat die Installierung von wirkungsvollen Marktkrisenmaßnahmen befürwortet. Von der Deutschen Ratsvertretung werden diese im Trilogverfahren jedoch im Schulterschluss mit den Verbänden der Molkereiindustrie und des Bauernverbandes kategorisch abgelehnt. In Anbetracht der Tatsache, dass es auch auf AMK-Ebene bereits Beschlüsse gegeben hat, die eine ähnliche Stoßrichtung wie die des EU-Parlaments hatten, ist für uns nicht nachvollziehbar, warum nicht von Länderseite endlich mit Nachdruck dafür gesorgt wird, dass die goldene Brücke, die von europäischer Seite gebaut wird, auch tatsächlich beschritten wird. Wir Bäuerinnen und Bauern kämpfen dafür seit mehreren Jahren sehr intensiv“, erklärt BDM-Vorsitzender Stefan Mann.
Gefordert sind mehr als Lippenbekenntnisse und Branchengläubigkeit der Agrarminister/innen. In die „Modernisierung der Lieferbeziehungen“ setzt man auf politischer Seite für den Milchmarkt alle Hoffnungen. Entscheidend wird sein, wie diese ausgestaltet werden. Wenn dabei einmal mehr die Interessen der Verarbeiter im Vordergrund stehen und auf den guten Willen der Verarbeiter vertraut wird, bleibt die „Modernisierung der Lieferbeziehungen“ eine Worthülse ohne Wert für die bäuerlichen Betriebe, die angesichts einer dauerhaften Kostenunterdeckung dringend deutlich höhere Erzeugerpreise für ihr Produkt brauchen. „Hört auf zu taktieren, übernehmt Verantwortung“ lautet daher eine weitere Botschaft an die tagenden Agrarminister/innen.



Ergänzende Hintergrundinformation:

Die bisherige Ausrichtung der Agrarpolitik hat dazu geführt, dass die Marktstellung der Milchviehhalter miserabel ist und dass die Milchviehbetriebe dauerhaft unter Kostendeckung wirtschaften – selbst mit den staatlichen Transferzahlungen, die mittlerweile den Hauptteil des Einkommens ausmachen. Die Milcherzeuger/innen und auch andere Tierhalter/innen hängen mehr denn je am Tropf des Staates. Substanzverlust, Entlohnungsverzicht, Verschuldung und Betriebsaufgaben sind die Folge. Das ist kein tragfähiger Weg für die Zukunft – gerade weil den meisten Bäuerinnen und Bauern klar ist, dass große Veränderungen vorgenommen werden müssen, wenn wir eine gesellschaftlich akzeptierte, zukunftsfähige Landwirtschaft haben wollen. Im „Milchdialog“ hat sich der BDM daher zusammen mit weiteren Organisationen der Landwirte in grundlegenden Positionen auf ein gemeinsames Positionspapier verständigt, das klar aufzeigt, dass es eine andere Agrarmarktpolitik braucht.
Die BDM-Bäuerinnen und -Bauern haben es nicht dabei belassen, nur Forderungen aufzustellen – sie haben vielmehr mit ihrer BDM-Sektorstrategie 2030 konkrete Konzepte erarbeitet, wie ein grundlegendes Umsteuern aussehen könnte und welche konkreten Schritte nötig sind, damit das bäuerliche Einkommen wieder ganz überwiegend über den Verkauf seiner Produkte erzielt werden kann. Die Milchviehhalter sind bereit sind, ihren Teil zu leisten, wenn es darum geht, ihre Zukunft aktiv zu gestalten und an der Zukunft für den Milchmarkt mitzubauen. Sie erwarten von den Agrarministerinnen und Agrarministern dabei Unterstützung und mutige Entscheidungen im Sinne der Landwirte.