Ukraine-Krieg nicht für egoistische Wirtschaftsinteressen missbrauchen!

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind kaum ein paar Tage vergangen und schon fordert die Lobby der Agrarkonzerne, dass die von der EU eingeschlagene Richtung der Agrarpolitik, die das Ziel verfolgt, den Intensivierungs- und Wettbewerbsdruck in der Agrarproduktion etwas zu reduzieren, gestoppt werden solle. Unter dem Vorwand der „Ernährungssicherung“ wird vor einer Abhängigkeit bei der Nahrungsmittelversorgung von Staaten wie Russland gewarnt.

„Das halten wir für eine absolut populistische Argumentation, die unsachgemäß und daher unredlich ist“, zeigt sich BDM-Vorsitzender Stefan Mann verärgert. „Wir haben einen Selbstversorgungsgrad von 135% bei Kartoffeln, von 125% bei Schweinefleisch, 125% bei Zucker, 116% bei Milch und 106% bei Getreide. Natürlich ist auch uns bekannt, dass rund ein Fünftel der landwirtschaftlichen Agrarprodukte auf Grundlage von Importfuttermitteln produziert wird und damit rein rechnerisch eine Unterversorgung behauptet werden könnte. Völlig vernachlässigt wird dabei aber, dass rund ein Drittel unserer Nahrungsmittel im Müll landet oder von der Nahrungsindustrie als eine Art Putzmittel zweckentfremdet wird. So werden beispielsweise die Rohre in Molkereien bei einem Chargenwechsel so lange mit dem neuen Produkt „durchgespült“, bis das neue Produkt sortenrein ankommt, weil das billiger zu sein scheint, als einen Spülgang mit Wasser durchzuführen. Unsere vermeintliche Unterversorgung im Gemüsebereich schließt bisher nicht aus, dass auf unseren Äckern wachsendes Gemüse zum Teil noch vor der Ernte untergepflügt wird, weil es nicht verkauft werden kann oder Obst am Baum vergammelt, weil es aus aller Herren Länder billiger importiert werden kann.“

Auch für den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. ist die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln mindestens ebenso wichtig wie die Versorgung mit Energie. In erster Linie bedeutet dies aber, dass man sich für einen wesentlich sorgfältigeren Umgang mit Nahrungsmitteln einsetzen muss.
„Hinter der Argumentation einer drohenden Unterversorgung steht vor allem die Sorge, dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu Ramschpreisen gefährdet sein könnte“, stellt Stefan Mann fest. „Klar ist aber auch: Was nichts kostet, ist nichts wert! Wenn Gemüse und Obst aus heimischem Anbau wieder zu einem realistischen Marktwert vermarktet werden können, würde sich auch der Selbstversorgungsgrad in diesem Bereich erhöhen.“

„Und wenn wir schon bei Rechenspielen sind: Wie ausgeprägt wäre die Unterversorgung im Obst- und Gemüsebereich denn noch, wenn wir mit den Futter- und Düngemitteln, mit denen wir aktuell in anderen Bereichen Überschüsse produzieren, regionales und saisonales Obst und Gemüse anbauen“, stellt Mann in Frage.

Die bisherige Zielsetzung der EU-Agrarpolitik, der Verarbeitungs- und Ernährungsindustrie mit möglichst günstigen Rohstoffpreisen einen globalen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, hat nach Ansicht des BDM mit seinem Intensivierungs- und Wettbewerbsdruck zu einem massiven Strukturwandel und einer massiven wirtschaftlichen Schwächung der verbliebenen landwirtschaftlichen Betriebe geführt. Dem steht eine massive Konzentration auf Seiten der Ernährungsindustrie gegenüber. Das erhöht die Abhängigkeit und gefährdet die Ernährungssicherung längerfristig mehr als das aktuelle Kriegsgeschehen.

„Es gibt keinen guten Grund, an dieser überholten Ausrichtung der Agrarpolitik festzuhalten, die unsere Betriebe so ausgeblutet hat, dass wir uns jetzt bei steigenden Anforderungen gleich vor die Existenzfrage gestellt sehen. Vielmehr ist eine Zeitenwende und Neuausrichtung dringend geboten“, betont Stefan Mann. „Wir sind bereit, uns dabei aktiv einzubringen, um marktwirtschaftliche Lösungen zu finden, die unsere Leistungen auch entlohnen!“

 

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