BY: Offener Brief an Günther Felßner

Foto: Norbert Staudt / pixelio.de
Sehr geehrter Herr Felßner,wir sehen uns auf Grund Ihrer wiederholten Äußerungen veranlasst, Ihnen unser Unverständnis über Ihre Art der Argumentationsführung kund zu tun. So haben Sie u.a. bei Ihrem Interview in der Sendung „Unser Land“ versucht, den Eindruck zu erwecken, 2008/2009 sei der Milchmarkt aufgrund der Aktionen vieler Bäuerinnen und Bauern zusammengebrochen. Das Gegenteil ist der Fall. Richtig ist, dass die Aktionen des Lieferstopps den Milchmarkt, der sich zu diesem Zeitpunkt schon in Abwärtsbewegung befand, entlastet und so verhindert haben, dass der Milchpreis noch früher und dauerhafter auf das Interventionsniveau fiel. Dass das Milchpreisniveau 2009 schließlich doch das Interventionsniveau erreichte, lag vielmehr daran, dass die vom BDM im Zuge des Lieferstopps geforderten Maßnahmen gegen den Milchpreisverfall in einer regelrechten Kampagne der Molkereiindustrie und des Deutschen Bauernverbandes, mitgetragen auch vom Bayerischen Bauernverband und seinen Präsidenten, torpediert und letztendlich politisch verhindert wurden.

Die Frage, warum denn die Bauern aktuell so ruhig seien, damit zu beantworten, dass die Bauern jetzt einfach nicht mehr den „falschen Propheten“ nachlaufen würden, ist bestenfalls instinktlos. Sie benutzen die Sorgen der Landwirte damit für Ihre persönliche Aversion und Kampagne gegen den BDM und verniedlichen so die Probleme der Milchbauern.  Es ist richtig, dass viele ein wenig müde im stetigen Kämpfen geworden sind und manche auch schon resigniert haben – nicht zuletzt weil sie die konsequente Verweigerungshaltung der Politik, der Industrie und des Bauernverbands gegen Maßnahmen, die den Milchmarkt schnell entlasten könnten, massiv frustriert – ohne Rücksicht auf ihre existenziellen Sorgen. Genauso richtig ist es aber auch, dass viele noch immer bereit sind zu kämpfen. Das hat auch die BDM-Staffelfahrt mit Zielpunkt München Anfang September 2015 sehr deutlich gezeigt. Nur Sinn muss es machen! Die aktuelle Situation dauert schon viel zu lange – da gilt es die Kräfte zu konzentrieren und gezielt einzusetzen. Kein reiner Aktionismus und Scheingefechte vor dem Handel, der nicht der Verursacher, sondern nur Nutznießer der Übermengen auf dem Markt ist. Der Aktionsschwerpunkt der Milchbauern des BDM hat sich erweitert: Mit seinem Konzept zum Milchmarktkrisenmanagement hat der BDM als einziger Verband einen neuen Vorschlag zur Erweiterung des veralteten und unzureichenden Sicherheitsnetzes vorgelegt. Auf dieser Basis versuchen die Milchviehhalter noch stärker, die politisch Verantwortlichen mit intensiven sachlichen Diskussionen argumentativ zu erreichen und demonstrieren da, wo diejenigen auftreten, die es tatsächlich in der Hand hätten, das Krisenkonzept voranzutreiben und durchzusetzen.
Im Übrigen: Viele konnten sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass selbst in der schlimmsten Milchkrise seit der Nachkriegszeit ihre existenziellen Sorgen um den Fortbestand ihrer Betriebe von Seiten der Politik, der Milchindustrie und des Bauernverbands lange Zeit weitgehend ignoriert werden. Dass auch der Bauernverband die Aufgabe vieler Betriebe offenbar unter notwendiger „Marktbereinigung“ verbucht und sich maximal für Molkereilösungen einsetzen will, zeigt, dass er weniger die Interessenvertretung des eigenen Berufsstandes übernimmt als vielmehr die der Milchindustrie.

Jetzt, wo den Milchbäuerinnen und -bauern ein weiteres Mal Milliardenverluste entstehen und vor allem seit die Molkereien über zu viel Milch klagen, plädieren Sie an die Bauern, jeder für sich solle Marktverantwortung übernehmen und weniger Milch anliefern. Plötzlich scheint es sinnvoll zu sein, überschüssige Milch nicht zu produzieren. In vielen Gesprächsrunden, u.a. auch am Runden Tisch in Bayern, haben Sie bisher mit den unterschiedlichsten Behauptungen eine Marktwirksamkeit von Mengenanpassungen kategorisch verneint. „Wir verlieren Marktanteile“, „die Molkerei müsste vertragsbrüchig werden“ – das waren und sind nur einige Ihrer Argumente gegen eine marktkonforme Milchproduktion. Weiter haben Sie wider besseren oder mangels Wissen mit Bezug zum BDM-Konzept vor nationalen Alleingängen gewarnt, obwohl das Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept unmissverständlich auf EU-Ebene angelegt ist.

Wenn Sie jetzt die deutschen Milcherzeuger auffordern, freiwillig weniger Milch anzuliefern, dann ist das ein unkoordinierter Alleingang auf einzelbetrieblicher Ebene, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Quasi eine Insellösung auf einer Insel. Solange die Milchreduzierung des einen Betriebs durch die Mehrlieferung eines anderen wieder ausgehebelt werden kann, wird es nicht die nötige Marktwirkung geben.
Bitte verkaufen Sie Bauern nicht für dumm! Sie machen einen Vorschlag, der aufgrund entscheidender Webfehler gar nicht funktionieren kann und sehen darin vermutlich später ihre Bestätigung, dass es vermeintlich nichts bringt, in Krisenzeiten mit geeigneten Instrumenten (mit freiwilligen Komponenten) auf Erzeugerebene anzusetzen.

Die Situation der Milchbauern ist viel zu ernst – Argumente statt Polemik sind jetzt gefragt. Gerne tauschen wir uns auf sachlicher Ebene mit Ihnen aus, wenn Sie eigene Konzepte vorlegen, mit denen eine umgehende und wirkungsvolle Rücknahme der EU-Milchmenge erreicht werden kann. Sollten Sie einen alternativen und gangbaren Weg finden, der den Milchmarkt schnell entlasten kann ohne die Milchviehhalter in ihrer Marktposition zu schwächen, sind wir gerne bereit, Sie dabei vollumfänglich zu unterstützen.
Wir würden es begrüßen, wenn wir eine sachlichere Debatte führen könnten!

 

Mit
freundlichen Grüßen

Manfred
Gilch                 Hans Leis                   Peter Meyer

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