BDM-Symposium mit hochkarätigen Gästen und interessanten Diskussionen

(Berlin) Auch in diesem Jahr trafen sich die Milchviehhalter wieder am ersten Samstag der Grünen Woche zum traditionellen Symposium des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. in Berlin, bei dem das zentrale Thema „Standards, Auflagen und mehr – als Vision für eine zukunftsfähige Landwirtschaft?“ diskutiert wurde.

„Die aktuellen Debatten und auch die Diskussionen unseres Symposiums zeigen, dass es ein „Weiter so wie bisher“ auf keinen Fall geben kann“, zieht BDM-Vorsitzender Stefan Mann Bilanz. „In diesem Punkt besteht eine große Übereinstimmung. Wer welche Verantwortung übernehmen kann und muss und was die richtigen Maßnahmen sind, darüber wird endlich mit mehr Nachdruck und Ernsthaftigkeit diskutiert, seit weitgehende Einigkeit besteht, dass Handlungsbedarf besteht. Uns fällt jetzt auf die Füße, dass man viel zu lange versucht hat, die Zukunft auszusitzen statt anzupacken. Wir Milchviehhalter konnten klar machen, dass wir angesichts der Vielzahl an komplexen Herausforderungen auch über Systemfragen nachdenken müssen und nicht im Klein-Klein verharren dürfen.“
In einem lebhaften und humorvollen Einstiegsvortrag forderte Jakob Lipp, selbst gelernter Landwirt, Motivator und Keynoteredner, die anwesenden Milchviehhalter auf, gewohnte Denk- und Verhaltensweisen auch im Kleinen immer wieder einmal zu überdenken, sich notwendigen Veränderungen mutig zu stellen und sich besser selbst zu „vermarkten“.

Johannes Pfaller, Sprecher des Bundesbeirats, hielt in einer leidenschaftlichen Eröffnungsrede ein Plädoyer dafür, genau hinzuschauen, wo denn die eigentlichen Probleme der Milchviehhalter liegen und wer die wirklich Verantwortlichen sind, die den Hebel in der Hand haben. Die Landwirte ständen heute genau, wo die Politik sie mit ihren Rahmenbedingungen haben wollte. Nun stünden die Landwirte mit dem Rücken an der Wand und man erwarte von ihnen, dass sie sich ändern. Die Molkereien hätten sich längst an die veränderten Erwartungen angepasst und würden mit Spezialprogrammen von den Landwirten Leistungen abfordern, die deutlich über dem gesetzlichen Standard liegen. Diese Leistungen, die die Landwirte heute schon erbrächten, würden aber nicht entsprechend vergütet. Hier müsse man ansetzen. Der Verbraucher habe Verständnis für die Forderung nach fairen Preisen, zahle aber natürlich nur das, was es eben koste. Die Politik sei mit einer entsprechenden Marktpolitik gefordert, Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Milchviehhalter die Marktstellung erhielten, leistungsgerechte Preise auch durchsetzen zu können.

Prof. Dr. Dr. Alois Heißenhuber erläuterte in seinem lebhaften und anschaulichen Vortrag, dass die landwirtschaftlichen Probleme nicht vom Himmel gefallen seien, sondern Konsequenz langjähriger und vielfältiger politischer Weichenstellungen sowie auch von wissenschaftlicher und landwirtschaftlicher Beratung sei. Laut Heißenhuber bestehe in der Wissenschaft nicht nur in der Frage der Existenz des Klimawandels so gut wie vollständige Einigkeit, sondern auch in der Aussage, dass ein „Weiter so“ der Agrarpolitik keine Option sei. Es genüge in einem so hochkomplexen System mit vielen Wechselwirkungen wie der Landwirtschaft nicht, nur einzelne Maßnahmen anzugehen, man müsse vielmehr das ganze System in den Blickpunkt rücken. Zur Frage der Finanzierbarkeit erklärte Heißenhuber im Laufe der weiteren Diskussion, dass man Mittel und Wege fände, notwendige Veränderungen zu finanzieren, wenn man diese nur wolle.

v.l.: Wilhelm Brüggemeier (Vizepräsident des WLV, Beiratsmitglied QM Milch und Mitglied des Lenkungsausschusses der Sektorstrategie Milch), Prof. Dr. Dr. Alois Heißenhuber, Markus Mühleisen (Geschäftsführer Deutschland von Arla Foods), Peter Guhl (Vorstand der MEG Milch Board), Moderator Matthias Schulze Steinmann (Chefredakteur top agrar)

Inwieweit die landwirtschaftliche Branche selbst dafür Verantwortung übernehmen und Standards setzen bzw. ihre Leistungen erklären und vermarkten kann, war schließlich Thema der ersten Diskussionsrunde mit Markus Mühleisen, Geschäftsführer Deutschland von Arla Foods, Wilhelm Brüggemeier, Vizepräsident des WLV, Beiratsmitglied QM Milch und Mitglied des Lenkungsausschusses der Sektorstrategie Milch, Peter Guhl, Vorstand der MEG Milch Board sowie Prof. Heißenhuber, die von Moderator Matthias Schulze Steinmann, Chefredakteur von top agrar, souverän geführt wurde. Es sei wichtig, dass die Bauern zusammen mit den Molkereien und dem Handel mit einer gemeinsamen Branchenkommunikation in der Gesellschaft wieder sehr viel stärker die Vorzüge der Milch als tierische Eiweißquelle verankern, erklärte Brüggemeier. Außerdem seien Standards wichtig, um weiter lieferfähig zu sein. Es sei daher im eigenen Interesse der Milchviehhalter, Standards im Rahmen von QM selbst mitzubestimmen und damit zu definieren, was man leisten könne.

Peter Guhl kritisierte, dass nicht ersichtlich sei, warum es neben den ohnehin schon sehr zahlreichen gesetzlichen Vorgaben, die die Milchproduktion und -güte regeln, noch einen eigenen Standard QM geben müsse, der sich ohnehin nicht unbedingt als „scharfes Schwert“ gezeigt habe. Mit diesem Instrument werde zudem eine umfassende Datensammlung bei den Milchviehhaltern betrieben. Guhl plädierte dafür, Wünsche und Anforderungen, die über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen sollen, in schuldrechtlichen Verträgen mit den Molkereien auszuhandeln, die dann auch einen Preis haben müssten. Brüggemeier widersprach dem Ansatz, dass ein Mindeststandard wie QM besonders vergütet werden könnte.

Markus Mühleisen hielt es für vorteilhaft, dass alle Beteiligten der Branche gemeinsam einen Mindeststandard definieren statt gesetzliche Vorgaben von oben akzeptieren zu müssen. Man wolle sich dazu mit dem Lebensmitteleinzelhandel zusammensetzen, um zu verhindern, dass jede Handelskette ihre eigenen Standards mache. Mühleisen betonte auch, dass es jetzt notwendig sei, für die Akzeptanz der Gesellschaft zu kämpfen, da es immer mehr Kritik an der Milchviehhaltung gebe und mit ihr der Milchkonsum zurückgehe. „Wir können nicht noch 10 Jahre warten, auch wenn es jetzt schwerfällt“, bekannte sich der Arla-Geschäftsführer zur Notwendigkeit höherer Anforderungen an die Milchviehhalter und räumte gleichzeitig ein, dass die Lage in der Landwirtschaft derzeit dramatisch sei. „Aber wenn wir jetzt nicht handeln, werden andere handeln und die Konsequenzen werden sehr viel unangenehmer!“
Heißenhuber betonte in der Diskussion, dass man die Kuh „nicht mit dem Methan in die Pfanne hauen“ dürfe, die Diskussion müsse breiter aufgestellt werden als sich beispielsweise nur auf CO2 zu konzentrieren wie das derzeit geschehe.

Auf die Frage, wie es gelingen könne, entsprechenden Mehrwert für die Milchviehhalter zu generieren, der den gestiegenen Anforderungen Rechnung trage, erklärte Mühleisen, was nicht funktioniere, sei generische Werbung oder der Appell an den Altruismus der Verbraucher nach dem Motto „Bitte, bitte, bezahle mehr“. Mit der Auflage von Projekten, die auf die Verbraucherwünsche abgestimmt sind und einem entsprechenden Marketing aber könne es den Molkereien gelingen, so Mühleisen. Eine Branchenkommunikation wäre daneben sinnvoll, da viele Verbraucher wieder von der Kuhmilch überzeugt werden müssten.

Peter Guhl zeigte sich überzeugt, dass man auch akzeptieren müsse, dass sich die Verzehrgewohnheiten der Verbraucher ändern. Erfolgsversprechender als der Versuch, die Verbraucher zu bekehren, sei sich selbst darauf einzustellen, nicht komplett am Bedarf und am Verbraucher vorbei zu produzieren, wenn man einen vernünftigen Preis erhalten wolle. Immerhin würde der Konsum von Milch auch in den Ländern, die über eine funktionierende Branchenkommunikation verfügen, genauso zurückgehen wie in Deutschland.

Die zweite Diskussionsrunde wurde nach der ganz kurzfristigen Absage von Thomas Andresen, der als Vertretung von Dirk Andresen, für „Land schafft Verbindung“ avisiert war, zu einem sachlichen, aber dennoch kritischen Zwiegespräch zwischen Dr. Christiane Paulus, Abteilungsleiterin „Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung“ im Bundesumweltministerium und Manfred Gilch, Vorsitzender des BDM-Landesteams Bayern, in dem Erwartungen und Kritik aneinander erklärt und begründet wurden.

Dr. Christiane Paulus räumte ein, dass das Bundesumweltministerium und die Bundesregierung durchaus wahrnehmen würden, dass die Anforderungen, die sie an die Bauern hätten, diese angesichts ihrer wirtschaftlichen Probleme sehr fordern würden. Sie hoffe, dass diese Krise dadurch, dass man jetzt sehr intensiv gemeinsam darüber diskutieren würde, wie die Landwirtschaft in Zukunft aufgestellt werden muss, zur Chance für die Landwirte werde. Dass mit dem Protest der Bauern so viele alte Feindbilder gegenüber dem Umweltschutz reaktiviert würden, sei bedauerlich, weil sie der Überzeugung sei, dass man ganz viele gemeinsame Interessen hätte. Man wolle die Umwelt und Bauernhöfe erhalten, man wolle faire Preise für die Bauern, aber der Weg dahin sei steinig. Einig waren sich Dr. Paulus und Gilch in der grundsätzlichen Aussage, dass es eine andere Agrarpolitik brauche. Während Dr. Paulus darunter aber die Bindung der Agrargelder an konkrete Umweltleistungen verstand, betonte Manfred Gilch, dass schon vorher angesetzt werden müsse und über eine andere Zielsetzung der Agrarpolitik gesprochen werden müsse – weg von einem Agrarmodell mit niedrigen Produktpreisen für eine weltweite Wettbewerbsfähigkeit der Ernährungsindustrie und Direktzahlungen, die einkommensstützend für die Landwirte wirken würden. Man könne nicht länger die Preise auf dem aktuellen Niveau halten und auf der anderen Seite aber die Anforderungen verschärfen, das führe zu Recht zum Unmut der Bauern.

Das wollte Dr. Paulus so nicht ganz akzeptieren. Man müsse sich schon im Rahmen der bestehenden Bedingungen überlegen, was man umsteuern wolle und was nicht. Im Umweltministerium sehe man die klare Weltmarktausrichtung der Landwirtschaft kritisch, weil gleichzeitig die wahren Preise für die ökologischen Folgen der dafür nötigen günstigen Produktionsweise nicht eingepreist werden könnten. Wichtig sei ihr aber auch, dass man zunächst erst einmal Einigkeit über die bestehenden Probleme herstellen könne, so Dr. Paulus. Erst dann könne man sinnvoll miteinander über den richtigen Lösungsweg streiten. Es sei nicht möglich, in einer derartig komplexen Thematik zu ganz einfachen Lösungen zu kommen. Das Bundesumweltministerium bemühe sich daher regelmäßige und umfangreiche Konsultationen mit Praktikern und Verbänden durchzuführen, um möglichst viele Belange zu berücksichtigen und Akzeptanz zu finden. Dass sich die benötigten höheren Standards nicht alle über den Markt „abbilden“ lassen werden, davon zeigte sich Dr. Paulus überzeugt. Insbesondere um den Transformationsprozess der Landwirtschaft zu begleiten, werde es zusätzliche Gelder brauchen – dafür sei das Umweltministerium offen. Gilch hob in diesem Zusammenhang hervor, dass man gar nicht umhin käme die Agrarmarktpolitik zu ändern, denn mit zusätzlichen Geldern könne man höhere Anforderungen vielleicht übergangsweise, aber längst nicht dauerhaft finanzieren.

In seinem Fazit des Tages betonte BDM-Vorsitzender Stefan Mann die Notwendigkeit, Lösungsvorschläge, die schon auf dem Tisch lägen, intensiver zu diskutieren und sich nicht in Diskussionen zu verlieren, die man schon vor Jahren geführt habe. Es gelte genau da hinzuschauen, wo die Dinge im Argen liegen und hier konsequent zu handeln, um Probleme ursachengerecht und effizient zu lösen, ehe sie für alle Bäuerinnen und Bauern zum Problem werden.

Ein weiterer mittlerweile schon etablierter Programmpunkt des BDM-Symposiums war auch in diesem Jahr wieder die Verleihung des Journalistenpreises „Faire Milch“. Michael Braun, Marketingleiter der Fairen Milch, und BDM-Vorstand Stefan Lehmann ehrten die Preisträger für ihre Beiträge, die sich in besonders gelungener Weise mit dem Milchmarkt und den Milchviehhaltern beschäftigt hatten. Dazu mehr unter https://www.bdm-verband.de/pressemitteilungen/journalistenpreis-des-bdm-zeichnet-herausragende-journalistische-arbeiten-aus/


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