Deutliches Marktsignal: Milchverarbeiter fordern Hilfen

Der Milchmarkt ist in Bedrängnis – die Zeichen dafür häufen sich. Bereits in den vergangenen Tagen sind die Preise für Milchprodukte an den internationalen und europäischen Warenterminbörsen immer stärker eingebrochen. Und auch die Molkereien senden mittlerweile Signale, die klar auf die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus für den europäischen und deutschen Milchmarkt hinweisen.

So hat der Generalsekretär der European Dairy Association EDA Alexander Anton diese Woche EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski um Unterstützung für die private Lagerhaltung der europäischen Molkereien gebeten. Die Molkereien wüssten nicht mehr, wie lange sie den Betrieb noch aufrechterhalten könnten. Magermilchpulver lasse sich zurzeit nicht mehr exportieren. Der Absatz von frischen Molkereiprodukten laufe gut, sei aber mit logistischen Problemen verbunden. Auch der Genossenschaftsverband Bayern fordert Unterstützung für die Milchverarbeiter in Form einer vollständigen Übernahme von Kreditrisiken und Bürgschaften. Milchverarbeitende Betriebe hätten zwei Probleme: Absatzmärkte wie China und Italien seien praktisch weggebrochen und Hotels und Gastronomiebetriebe bräuchten kaum noch Ware.

Wichtig ist aus Sicht des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter BDM, den europäischen Milchmarkt als Ganzes und nicht nur beschränkt auf die Verarbeiterstufe zu betrachten.
Hilfen zu fordern, aber sich gleichzeitig mit der Anpassung der Milchanlieferung an die Nachfrage noch nicht einmal konkret zu befassen, passt aus Sicht des BDM in dieser hochkritischen Marktphase nicht zusammen.

BDM BundesvorsitzenderStefan Mann
Stefan Mann

„Ganz wichtig ist vor allem, durch zeitlich auf die Corona-Pandemie befristete, mengenbegrenzende Maßnahmen auf EU-Ebene jetzt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Milchmarkt nicht noch weiter abrutschen kann. Die Leidtragenden sind am Ende – wie bei allen vergangenen Krisen auch – die Milchviehbetriebe, die angesichts der vergangenen Krisen und Dürren ohnehin „auf Notstrom laufen“. Wir sehen doch aktuell ganz deutlich, dass wir es uns nicht leisten können, noch mehr Betriebe in der Fläche zu verlieren“, appelliert BDM-Vorsitzender Stefan Mann an die Weitsicht der Politik. „Alle Zeichen stehen auf Sturm. Wir haben jetzt – noch – die Möglichkeit, schlimmeren Sturmschäden vorzubeugen. Dafür müssen wir marktwirtschaftlich handeln – dazu gehört auch der Blick auf das Milchangebot. Für die Milchviehhalter kommt das dicke Ende auch dann noch, wenn die restliche Wirtschaft wieder langsam anspringt. Wenn wir bei der Inlandsnachfrage eine Art „Weihnachtseffekt“ erleben, der dazu führt, dass nach den Vorratseinkäufen erst einmal eine Nachfragedelle entsteht, tritt dieser in einer Zeit ein, in der eine normale Exporttätigkeit noch nicht wieder möglich ist. Das wäre wirklich eine Katastrophe“, warnt BDM-Vorsitzender Stefan Mann.
„Wir dürfen auch in dieser Krise nicht nur auf Sicht fahren, sondern müssen in die nähere Zukunft schauen. Das bedeutet, dass wir jetzt handeln müssen, um Schäden zu minimieren.“
Das Kriseninstrument der Privaten Lagerhaltung und Intervention allein wird nicht ausreichen und die Erfahrungswerte der eingelagerten Milchpulverberge 2015/2016 zeigen, dass damit die Probleme für die Milchviehbetriebe über die Krise hinaus verlagert bzw. verlängert werden.

 


 

Ergänzende Information:

Der BDM-Vorschlag im Detail:
Politiker und Milchviehhalter sind gefordert, sich auf EU-Ebene gemeinsam dafür einzusetzen, dass in der aktuell höchst brisanten Milchmarkt- und Corona-Situation eine zeitlich befristete, verpflichtende Begrenzung der Milchanlieferungsmengen schnell und unbürokratisch eingeleitet wird. Die politischen Grundvoraussetzungen in Form von entsprechenden Artikeln in der Gemeinsamen Marktordnung sind bereits vorhanden.

Wie soll das funktionieren?
– Ein europaweites Handeln auf Milcherzeugerebene sichert die Gleichbehandlung der Molkereien im Wettbewerb unabhängig von ihrer Produktionsausrichtung und verhindert Wettbewerbsverzerrungen. Eine prozentuale Reduzierung auf Erzeugerebene sichert gleichzeitig die Gleichbehandlung der Milchviehbetriebe. Ausgangs/Bezugspunkt ist die Liefermenge der letzten Milchgeldabrechnung.
– Um die Versorgung der europäischen Bevölkerung sicherzustellen und um eine europäische Einigkeit schneller herstellen zu können, müssten sich aber nur diejenigen Mitgliedsstaaten zur Mengenbegrenzung verpflichten, die einen Selbstversorgungsgrad > 100 % haben.
– Die Mengenbegrenzung ist ausdrücklich nur zeitlich befristet auf die Corona-Krise einzusetzen. Danach kann jeder seinen Betrieb normal weiterführen.
– Ändern sich die Marktvoraussetzungen, können die Maßnahmen jederzeit sofort ausgesetzt oder beendet werden.
– Wenn alle ihre Mengen begrenzen, kann der Reduktionsprozentsatz relativ niedrig angesetzt werden. Immerhin so niedrig, dass es keinen Milchviehbetrieb die Existenz kostet – erst recht nicht, wenn man betrachtet, dass durch die Reduktion die Milchpreise stabilisiert und verbessert werden können.
– Die Umsetzung ist relativ einfach und unbürokratisch umsetzbar und im Nachgang über die Milchgeldabrechnungen kontrollierbar. Mögliche Strafzahlungen für diejenigen, die sich der Mengenbegrenzung entziehen wollen, müssen relativ hoch ausfallen, damit es wirtschaftlich uninteressant wird, auf die Preiserholung zu spekulieren, die dann schon eingetreten ist, wenn die Maßnahmenüberprüfung stattfindet. Die nachträgliche Kontroll- und Sanktionsmöglichkeit ließe eine sofortige Umsetzung der Mengenreduktion per Verfügung zu – ohne vorherigen langwierigen Verwaltungsaufbau. Aktion und Wirkung träte unmittelbar ein, der Kontrollaufwand könnte auf die Zeit verlagert werden, wenn die Ausnahmesituation beendet ist. Erfahrungswerte der Verknüpfung des 2. EU-Hilfspakets mit Mengendisziplin 2016/17 könnten bei der bürokratischen Umsetzung berücksichtigt werden.

Der BDM weist darauf hin, dass auch der Einsatz der öffentlichen Intervention, als Worst-Case-Instrument ein Teil des Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzepts des BDM, sinnvoll sein kann – allerdings nicht, um wieder immense Milchpulverberge aufzubauen, die den Markt noch Monate nach dem Krisenfall immens belasten und eine dringende Markterholung massiv ausbremsen. Angesichts der akut zugespitzten Marktlage sieht der BDM die Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen, die für alle verbindlich sind, um eine ganz schnelle Marktwirkung zu erzielen. Die Zeit für politische Überlegungen, wie hoch der Entschädigungssatz bei einer freiwilligen Mengenreduzierung gegen Entschädigung sein müsste und für wirtschaftliche Überlegungen möglicher Teilnehmer besteht in der aktuellen Situation nicht, wenn man einen deutlichen Absturz der Milcherzeugerpreise verhindern will.