Corona-Pandemie zeigt akute Handlungsnotwendigkeit für EU-Milchmarkt-Krisenmanagement

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus sind auch für den europäischen und deutschen Milchmarkt und damit insbesondere auch für die Milchviehbetriebe katastrophal. Etablierte Lieferketten sind unterbrochen, die Milchimporte Chinas als weltweit größter Milchimporteur werden Expertenschätzungen zufolge bis ins zweite Halbjahr weiter zurückgehen. Für die Milchviehhalter in Europa droht ein wirtschaftliches Desaster, das diese angesichts einer ohnehin dauerhaften Kostenunterdeckung und eines Verbrauchs sämtlicher Reserven nicht stemmen können werden, wenn jetzt nicht umgehend europaweit koordiniert und organisiert die Milchmengen reduziert werden.

Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: Um einen Zusammenbruch des Milchmarkts zu verhindern und erneuten massiven finanziellen Schaden bei den Milchviehhaltern abzuwenden, müssen die Milchviehhalter in einer akuten Marktkrise wie dieser auf europäischer Ebene koordiniert und organisiert dafür sorgen können, dass der europäische Milchmarkt gemeinsam um wenige Prozentpunkte bereinigt wird. Das versteht der BDM unter einem marktwirtschaftlichen Vorgehen – auch wenn es dafür zunächst ein politisches Handeln braucht. Die Politik muss die Voraussetzungen dafür schaffen und ein organisiertes Vorgehen der europäischen Milchviehhalter im Krisenfall ermöglichen. Das Kriseninstrument der Intervention allein wird nicht ausreichen und die Erfahrungswerte der eingelagerten Milchpulverberge 2015/2016 zeigen, dass die Probleme für die Milchviehbetriebe über die Krise hinaus verlagert bzw. verlängert werden.

„Jedes Vorgehen, das auf die moralisch-ethische Verantwortung des Einzelnen oder freiwillige Branchenlösungen setzt, ist nicht schnell und wirksam genug, um diese Krisensituation zu meistern“, erklären BDM-Vorsitzender Stefan Mann und der Vorsitzende der MEG Milch Board, Frank Lenz, gemeinsam. „Wir brauchen eine sehr schnelle Reaktion auf eine unverhofft eintretende Marktverschärfung, die durch den Corona-Virus verursacht wird. Und wir brauchen klar ein europäisches Vorgehen, um den globalen Milchmarkt zu entlasten – da sind wir uns mit dem European Milk Board EMB und seinen Mitglieds-Erzeugerverbänden einig.“

„Statt lediglich über den notwendigen Ausgleich von wirtschaftlichen Schäden nachzudenken, haben wir alle eine Schadensminimierungspflicht“, erklärt Stefan Mann weiter. „Wir gehen daher aktuell auch auf die Molkereien zu und ersuchen diese dringend, uns in unserer Forderung nach einer schnellen europaweiten Milchmengenreduzierung jetzt ganz akut zu unterstützen. Da die Politik angesichts des aktuellen Notstands verständlicherweise nicht in der Lage ist, die Interessen verschiedener Branchenakteure abzuwägen, zu moderieren und so zu ausgewogenen politischen Beschlüssen zu kommen, braucht es ein gemeinsames Signal aus der Branche, das ein schnelles und unbürokratisches Handeln der Politik immens beschleunigt und damit hilft, dass mit dieser Krise Erzeugerstrukturen nicht irreparabel zusammenbrechen, die für eine flächendeckende Grundversorgung der Bevölkerung so dringend benötigt werden.“

Der BDM fordert daher alle Akteure der Milchbranche und insbesondere alle Verbände der Ernährungs- und Molkereiindustrie auf, im gemeinsamen Schulterschluss ein Signal an die Politik zu senden, mit einer zeitlich befristeten, europaweit verbindlichen Milchmengenreduzierung die wirtschaftlichen Schäden dieser Pandemie so gering wie möglich zu halten.

„Bereits in den letzten beiden Milchkrisen haben wir gegen den hartnäckigen Widerstand der Verbände der Ernährungs- und Molkereiindustrie für die Erweiterung des bestehenden Sicherheitsnetzes um ein effizientes, mengenwirksames Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept gekämpft, das Fundament unserer BDM-Sektorstrategie 2030 ist. Damit könnten wir auf die aktuellen Marktverwerfungen eine wirksame und effektive Antwort geben, die mehr ist als ein Appell an die ethische Verantwortung anderer Marktteilnehmer“, ergänzt Stefan Mann. „Das BDM-Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept sieht vor, dass in Marktkrisen zeitlich befristet die EU-Milchmenge gedeckelt bzw. um wenige Prozentpunkte reduziert werden kann, um das EU-Milchangebot schnell an die reale Nachfrage anpassen zu können und so ein weiteres Absinken der Milcherzeugerpreise zu verhindern.“

Tatsächlich wurden die Voraussetzungen dafür auf EU-Ebene auf Druck der Milchviehhalter bereits geschaffen: 2016 haben die EU und die Bundesregierung den wegweisenden Beschluss gefasst, das 2. EU-Hilfspaket mit einer zeitlich befristeten Mengendisziplin zu verknüpfen. Über dieses Programm, an dem die Milchviehhalter freiwillig teilnehmen konnten und das ohne großen bürokratischen Aufwand ganz kurzfristig umsetzbar war, ist flächendeckend über alle Regionen und Betriebsformen hinweg mehr Liquidität auf die Betriebe gekommen, als dies bei allen anderen staatlichen Hilfen der Fall war. Gleichzeitig hat es den einsetzenden Rückgang der Milchanlieferungen unterstützt und verlängert. „Anders als damals müssen wir in der verschärften Situation jetzt lediglich über eine für alle verpflichtende Mengenreduzierung sprechen. Ob und wie die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Ausfälle für die Milchwirtschaft aufgefangen werden können, ist eine Frage, die sich erst in Folge stellt,“ stellt Mann klar.

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