Tierhaltungsskandal rechtfertigt nicht Pauschalverdächtigungen gegen Milchviehhalter

Ungefragte Stallbesuche sind kein Mittel für mehr Tierwohl. Vermehrt berichten Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter davon, dass sich seit dem Tierhaltungsskandal im Allgäu Privatpersonen ungefragt Zugang zu ihren Ställen verschaffen und Fotos machen.

Braunvieh

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. weist darauf hin, dass dies einen Hausfriedensbruch darstellen und zur Anzeige gebracht werden kann. Auch wenn in einigen Fällen vor Gericht die Ahndung von Tierschutzverstößen durch Privatpersonen als eine Art Selbsthilferecht anerkannt wurde, weil die Behörden ihren Pflichten nicht in ausreichendem Maße nachgekommen waren, ist es nicht hinnehmbar, dass die Aufdeckung eines Tierhaltungsskandals dazu führt, dass alle Milchbetriebe unter Pauschalverdacht gestellt werden und Privatpersonen mit Belohnungen für „Skandalbilder“ ermuntert werden, sich ansatzlos Zugang zu Milchviehbetrieben zu verschaffen.

„Viele Betriebe öffnen gerne für Besucher ihre Stalltüren und freuen sich über das Interesse der Bürgerinnen und Bürger und die Möglichkeit des gemeinsamen Gesprächs“, erklärt BDM-Vorsitzender Stefan Mann. „Das setzt aber natürlich voraus, dass man vorher fragt und nicht ungebeten die Betriebe betritt! Und nicht jeder, der das nicht will, hat automatisch etwas zu verbergen.“ „Ich kann mir übrigens nicht vorstellen, dass irgendjemand akzeptieren würde, wenn wir nach Aufdeckung eines Tierhaltungsskandals in der Stadt einfach ungefragt irgendwelche Privatwohnungen betreten und Fotos machen würden, um festzuhalten, ob in den Stadtwohnungen die Haustiere artgerecht gehalten werden“, kritisiert Mann die Anstifter zu solchem Verhalten.

Der BDM sieht mit Sorge, dass derartige Vorfälle zu einem Klima des Misstrauens und des Denunziantentums führen, das weder sachlich und menschlich gerecht noch hilfreich ist, wenn es darum geht, die Betriebe tiergerecht weiterzuentwickeln.
Dass Tierschutzverstöße geahndet werden müssen, steht für den BDM außer Frage. Wichtig ist dabei, dass die Behörden ihren Pflichten konsequent nachkommen, aber auch mit Augenmaß vorgehen und engmaschig kontrollieren, ob die Betriebe Möglichkeiten zur Verbesserung genutzt haben.

Der BDM widerspricht aber der viel zu kurz gedachten Behauptung, dass Missstände, wie sie auf dem Großbetrieb im Allgäu aufgedeckt wurden, vor allem auf die Betriebsgröße und mangelnden Kontrollen zurückzuführen seien.
Fakt ist, dass die Ausrichtung der Agrarpolitik auf immer schnelleres Betriebswachstum und noch effizientere Arbeitserledigung auf vielen Betrieben dazu geführt haben, dass die Relation zwischen den zu betreuenden Tieren und den vorhandenen Arbeitskräften nicht mehr stimmt. Die politischen Akteure, die diese Entwicklung maßgeblich mit vorangetrieben haben, tragen daran einen guten Teil Mitverantwortung.

„Wenn Beratungs- und Förderpraxis so aussehen, dass ein Stallbau nur dann als wirtschaftlich und damit als förderfähig beurteilt wird, wenn die Kuhplätze mindestens verdoppelt werden, führt die Maxime der Wirtschaftlichkeit und der Kostenreduktion in der Praxis häufig dazu, dass sich Betriebe immer öfter überfordern und in die Arbeitsfalle tappen statt sich organisch und angepasst an die individuellen Betriebsvoraussetzungen weiterzuentwickeln“, kritisiert Mann weiter. „Und immer noch wird auf Fachtagungen und Seminaren erzählt, dass man für 100 Kühe maximal eine Arbeitskraft brauchen darf. Das ist Wahnsinn!“  Eine permanente Kostenunterdeckung auf den Betrieben führt dazu, dass die Betriebe auf billige Arbeitskräfte angewiesen sind: in Lohnbetrieben oft unterdurchschnittlich bezahlt, in Familienbetrieben auf umsonst mitarbeitende Familienangehörige und lange arbeitskräftige Altenteiler.
„Wer etwas für das Tierwohl tun will, soll sich mit uns dafür einsetzen, dass sich die Tierzahl und die Zahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte für die Tierbetreuung in einem Verhältnis gegenüberstehen, das menschlich und finanziell leistbar ist. Das nämlich ist der ausschlaggebende Faktor für das Tierwohl im Betrieb“, fordert Stefan Mann.