Festabend „25 Jahre BDM“ – ein Grund zu feiern!
BDM-Symposium mit hochkarätigen Gästen und interessanten Diskussionen

(Berlin) Nach einer langen Corona-Pause fand am ersten Samstag der Grünen Woche erstmals wieder das traditionelle Symposium des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. in Berlin statt. „Green Deal – ein Schwarzes Loch für die Landwirtschaft? Konsequenzen der aktuellen Marktentwicklung“ lautete das Thema, das insbesondere die Folgenabschätzung der EU-Kommissionsvorschläge für die milchviehhaltenden Betriebe und die Frage, wie die tatsächlichen Mehrkosten für mehr Ökosystemleistungen getragen werden können, in den Mittelpunkt stellte.
„Wir hatten eine gleichermaßen kritische und konstruktiv nach vorne gerichtete Diskussion rund um den anregenden Impulsvortrag von Prof. Dr. Dr. Christian Henning, der Risiken, aber auch Chancen für die Landwirtschaft beleuchtete“, zieht BDM-Vorsitzender Stefan Mann Bilanz. „Unser Symposium war interessant und kurzweilig, das hat uns die durchgehend positive Resonanz unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezeigt, über die wir uns sehr freuen.“

Für die pflanzliche Produktion falle die Preissteigerung mit 10-20 % weniger deutlich aus. Insgesamt bewertete Prof. Dr. Dr. Henning den zusätzlichen Gewinn, den die Landwirte machten, auf 35 Milliarden Euro, auch wenn es bei den Landwirten vor allem auf Pflanzenproduktionsseite durch die Produktionsreduktion auch Verlierer gebe. Die Tierproduzenten würden in der Regel eher gewinnen. Wer hingegen ein klarer Verlierer sei, sei das Agribusiness. Die Agribusiness-Verarbeitungsindustrie verliere mit einer Gewinnreduktion von durchschnittlich bis zu 25-30% eindeutig in erheblichem Maße. Die Handelsströme würden sich in Folge der Farm-to-Fork-Strategie stark verändern, bei Milch und Schweinefleisch wäre es aber nicht so, dass man vom Netto-Exporteur zum Netto-Importeuer werden würde. Dies könne hingegen bei Getreide und Hähnchen der Fall sein.
Prof. Dr. Dr. Henning betonte, dass der Green Deal ein hohes Potenzial für Landwirte und Verbraucher gleichzeitig habe, dass man von einer Win-Win-Situation sprechen könne – auch wenn die Gewinne und Verluste sowohl bei den Landwirten und auch bei den Konsumenten über die EU-Länder sehr unterschiedlich verteilt seien. Henning kritisierte, dass man das Potenzial des Green Deal, das er mit 320 Mrd. Euro bezifferte, in der vorliegenden Form bei weitem nicht ausschöpfe. Man setze nur 93 Milliarden um bei 70 Milliarden Kosten und erlöse damit nur einen Netto-Benefit von 23 Milliarden Euro. Das sei deutlich niedriger als er sein könnte, wenn man es optimal mache, so Henning.
Um zu untersuchen, wie eine effiziente politische Umsetzung aussehen könnte, habe man die Vorschläge der EU-Kommission mit 50% Reduktion Pflanzenschutz, 50% Reduktion N-Bilanz-Überschüsse, mindestens 25% Ökolandwirtschaft, 20% Reduktion mineralischer Dünger und mindestens 10% ökologischen Vorrangflächen – Zahlen, die laut Prof. Henning „natürlich erstmal so aus dem Hut kommen“ – mit anderen Varianten der Farm-to-Fork-Strategie verglichen – einer so genannten Farm-to-Fork-Öko-Variante und einer Farm-to-Fork-Soft-Variante, die vom Agribusiness favorisiert werde.
Dem gegenüber gestellt habe man auch eine so genannte Optimalstrategie, die nur auf eine Reduktion der N-Bilanz und Pflanzenschutzreduktion setze – diese allerdings sehr hoch mit jeweils über 70% – und eine extrem hohe CO2-Bepreisung. Diese ergebe laut Henning im Modell den größten Effekt bei den Ökosystemleistungen, aber auch die größten Gewinne für die Landwirte.
Angesichts dieser Ergebnisse betonte Prof. Dr. Dr. Henning, dass man noch wesentlich mehr Disput und Diskussion brauche, um jetzt den richtigen Mechanismus zu finden und auch die unterschiedlichen Interessen wesentlich aktiver einzubinden.
Wofür er besonders plädiere, sei, dass man bei der Umsetzung egal welcher Strategie dies immer mit möglichst marktähnlichen Instrumenten mache. Henning schlug dafür einen so genannten Permit-Handel mit Umweltzertifikaten vor – im Prinzip ähnlich wie es diesen beim Klima schon gebe. Wichtig sei, dass diese Umweltzertifikate komplett den Landwirten gehörten und dass der Staat sie den Landwirten abkaufen müsse, so dass sie die Verlässlichkeit hätten, diese sie bräuchten. Wenn man so etwas habe, habe man auch klare Signale an landwirtschaftliche Unternehmen innovative Technologien zu entwickeln.

Souverän und interessant geführt wurde die Diskussion von Moderator Matthias Schulze Steinmann, Chefredakteur von top agrar, der immer wieder ganz konkrete Aussagen von den Podiumsteilnehmern einforderte.
Manfred Gilch, BDM-Landesvorsitzender in Bayern und Milchviehhalter in Mittelfranken, sowie Jens Scherb als Vertreter für die Junglandwirte betonten vor allem die Notwendigkeit, den Landwirten auch mit Blick auf den aktuellen Markt und auch auf die Veränderungen, die der Green Deal erfordere, eine wirtschaftliche Perspektive zu geben. „Ich wünsche mir, mehr Konzentration, mehr Fokus auf den Markt zu richten, wie kann der Markt diesen Green Deal auch zum Erfolgsmodell für die Bauern machen“, erklärte Manfred Gilch. Jens Scherb betonte, dass Farm-to-Fork nicht dazu führen dürfe, dass Höfe aufhören. „Wir brauchen Höfe, die im Kreislauf wirtschaften, wir brauchen Grünlandbetriebe, nur so bekommen wir auch die Probleme mit Umwelt, Klima, Naturschutz in den Griff.“ Scherb kritisierte, dass sich die politische Diskussion viel zu sehr auf Verbote und Auflagen verenge und zu wenig die Möglichkeiten aufzeige.
Prof. Dr. Dr. Henning stellte mit Blick auf den Markt klar: „Man muss sehen, Marktwirtschaft, um das ganz deutlich zu sagen, wird das hier nicht regeln. Der Markt ist katastrophal gescheitert und wenn eines sicher ist, dann, dass der Markt diese ganze Nachhaltigkeitsproblematik nicht lösen wird.“ Es brauche politische, marktähnliche Mechanismen wie einen Umweltzertifikat-(Permit-)Handel.





Die Bauern seien weltweit bereits Betroffene des Klimawandels, der sich schon jetzt mit extremen Wetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen zeige, es wäre daher dringend, dass sie sich in ihrem eigenen Interesse diversifizierter aufstellen würden, erklärte Wolter in weiteren Wort-Beiträgen. Ein Ausbau der Gentechnik als Lösung für den Klimawandel schaffe in erster Linie weitere Abhängigkeiten.
Auch der aktuell massiv einbrechende Milchmarkt und die politischen Antworten darauf waren Thema der Diskussionsrunde.
Maria Noichl räumte ein, dass die politischen Antworten darauf auf dem Tisch lägen. „Wir wissen es doch: Wir brauchen eine Krisenbeobachtung, wir brauchen ein Einschreiten bei der Krise und zwar bevor die Krise richtig heftig wird, anfänglich ein sanftes Einschreiten, am Schluss ein Einschreiten auch mal mit der Blutgrätsche. Da muss es dann auch zu einem verpflichtenden Lieferverzicht kommen, wenn es einfach nicht anders geht. Das Thema liegt ganz klar auf dem Tisch – die einzige Frage ist: Soll der Erzeuger sich so organisieren können, dass er überhaupt mit am Tisch stehen kann? … Und das wird noch immer von großen Lobby-Teilen verhindert, dass sich Erzeuger so organisieren, um verhandlungsfähig zu werden. Dies ist momentan nicht der Fall und da müssen wir alles tun…“ Auf Nachfrage des Moderators, wer das verhindere, erklärte Noichl, dass da sowohl die Molkereien als auch der Lebensmitteleinzelhandel dabei seien.
Martin Häusling hob besonders hervor, dass der Mythos, es müssten nur genügend Höfe durch den Strukturwandel den Markt verlassen, dann ginge es dem verbleibenden Rest gut und der Ansatz, die Weltmärkte erobern zu müssen, gescheitert seien. Der Welthandel habe vor allem große Abhängigkeiten gebracht. Man habe sich ein Stück weit dem Markt ausgeliefert und man müsse sowohl die Mengen mehr in den Blickpunkt nehmen als auch die Möglichkeiten sich zu organisieren. Außerdem plädierte er dafür, ähnlich wie bei der diskutierten CO2-Außensteuer auch ein ähnliches Prinzip auf Importe von z.B. Soja anzuwenden.

In seinem Fazit des Tages betonte BDM-Vorsitzender Stefan Mann die Notwendigkeit, die Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. 
Ein weiterer mittlerweile schon etablierter Programmpunkt des BDM-Symposiums war auch in diesem Jahr wieder die Verleihung des Journalistenpreises „Faire Milch“. BDM-Milchviehhalterin und Jury-Mitglied Ursula Trede ehrte zusammen mit Michael Braun, Geschäftsführer der Fairen Milch die Preisträger für ihre Beiträge, die sich in besonders gelungener Weise mit dem Milchmarkt und den Milchviehhaltern beschäftigt hatten. Dazu mehr im eigenen Beitrag auf unserer Homepage und in „BDM aktuell“.
25 Jahre BDM – Grund zu feiern!
Der Abend nach dem Symposium stand schließlich ganz im Zeichen des 25jährigen Jubiläums des BDM. Grund zu feiern! Die hervorragende Blaskapelle – bestehend aus vielen Milchbauern aus dem Raum Weilheim – die schon das 20-Jahr-Jubiläum zu einem einzigartigen Erlebnis gemacht hatte, sorgte auch diesmal mit ihrer musikalischen Bandbreite und ihren tollen Musikern für beste Stimmung. Unterhaltsame und ehrende Beiträge sowie der Auftritt einiger junger Milchbäuerinnen und Milchbauern machten den Abend zu einem rundum gelungenen Ereignis. Unser herzlicher Dank geht an Alle, die mit ihrem Engagement dazu beigetragen haben!
