Milchviehhalter zur Dürre in Schleswig-Holstein

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Klimaschutz und Landwirtschaft sind GemeinschaftsprojektBei aller Freude über das schöne Wetter – nicht nur die Bauern hoffen auf Niederschläge und ein paar Tage hitzefreiDer BUND ruft seine Mitglieder bereits dazu auf, empfindliche Bäume fachgerecht mit Wasser zu versorgen, viele Gartenbesitzer bangen um ihre sorgsam gehegten Pflanzen und an vielen Arbeitsplätzen wird die Hitze im Laufe des Tages unerträglich.

Dabei sahen im Frühjahr die Hoffnungen aus Sicht der Milchviehhalter noch ganz anders aus, so Kirsten Wosnitza, Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter BDM in Schleswig-Holstein und selbst verantwortlich für 120 Kühe in Nordfriesland: “Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals ein Jahr mit dermaßen andauernden und hohen Niederschlägen hatten wie in 2017. Noch vor vier Monaten konnten wir vor Nässen nicht alle Flächen bearbeiten. Wie alle Schleswig-Holsteiner haben wir die Sonne wirklich herbeigesehnt.“

Die Milchviehhalter hat es nun in mehrfacher Hinsicht getroffen. In den Jahren 2015 und 2016 haben schwere Krisen am Milchmarkt viele Betriebe in Bedrängnis gebracht. Teilweise war ein Weiterwirtschaften nur mithilfe von Liquiditätskrediten möglich. Nach kurzer Preiserholung in 2017 ließ auf vielen Betrieb der Dauerregen die Ernte von Gras- und Maissilage geringer und deutlich teurer ausfallen. „Was im Herbst gesät wurde, das war im Frühjahr schlichtweg abgesoffen. Und was als letzter Versuch in diesem Frühjahr gestartet wurde, das ist jetzt im Juli vertrocknet“, beschreibt Kirsten Wosnitza die Situation in besonders betroffenen Regionen. „Es gibt Standorte in Schleswig-Holstein, auf denen der Mais noch gut steht. Auf anderen Flächen sieht er aus wie Ananaspflanzen und wird kaum Ertrag bringen – aber trotzdem dieselben Erntekosten verursachen. Dieser Verlust fehlt den Milchbauern nicht nur auf dem Konto, sondern viel schlimmer noch den Kühen im kommenden Winter im Trog. Diese Sorge zerrt massiv an den Nerven der Tierhalter“, lautet die Prognose der Milchviehhalterin.

Kuhfutter wie Gras und Mais wird auf den Betrieben vor Ort angebaut und lässt sich nur bedingt transportieren. Überhaupt wird aufgrund der Knappheit kaum damit gehandelt, denn die schwierigen letzten drei Jahre haben es den meisten Milchviehhalter nicht erlaubt, ausreichend Futterreserven anzulegen. Daher werden bereits Kühe früher als geplant von den Höfen verkauft und geschlachtet. „Lieber mit weniger Kühen in den Winter gehen und diese Tiere weiterhin optimal versorgen“, lautet der Ratschlag von Kirsten Wosnitza. Aber sie erklärt auch, dass dieser Strategie Grenzen gesetzt sind: „Die Kühe, die heute tragend sind, werden auf den Höfen gebraucht und zur Abkalbung kommen, denn sie sichern die Milcherzeugung und das Einkommen im nächsten Jahr. Außerdem befinden sich die Schlachtpreise wegen des erhöhten Angebotes bereits im Sinkflug.“ Es wurden bereits in der 30. Woche 21 % mehr Kühe als in der Vorjahreswoche geschlachtet.

Aufgrund der geringeren Erntemengen bei Getreide haben die Preise für Stroh und für Kraftfutter und somit die Futterkosten für die Milchviehhalter deutlich angezogen und werden weiter ansteigen. Dem gegenüber stehen Auszahlungspreise für Milch, die mit 33 Cent netto schon jetzt unterhalb der zu deckenden Kosten stehen. „Es ist unverantwortlich, dass die Europäische Kommission unter diesen Bedingungen den Verkauf von Milchpulver fortsetzt, das in der vergangenen Krise eingelagert wurde. Dieser Verkauf setzt den europäischen Milchmarkt noch weiter unter Druck und verhindert die Erholung der Preise auf das notwendige Niveau“, warnt Kirsten Wosnitza.

Die Milchviehhalter sehen sich also zunehmend hohem Druck ausgesetzt. Die nationale und EU-Agrarpolitik verfolgt seit einigen Jahren auch bei der Milch immer mehr den Pfad der Liberalisierung. Die Milcherzeuger sollen sich dem internationalen Wettbewerb stellen und den Weltmarkt bedienen, kostendeckende Preise für die Milch werden immer seltener erreicht. „Wer auf dem Weltmarkt erfolgreich sein will, der darf nicht zimperlich sein. Da zählt nur Masse und ein billiger Preis“, beschreibt Wosnitza einen der Gründe für das Dilemma, in dem sich die Milchbauern heute befinden. „Jahrelang wurde uns von vielen Politikern, Wissenschaftlern und Beratern vorgehalten, unsere Produktionskosten seien zu hoch. Von Klimaschutz war da nie die Rede. Stattdessen sollten wir zur Kostensenkung die Flächenausstattung für unsere Tiere möglichst knapp halten und dadurch unser Land so intensiv wie möglich bewirtschaften. Da gibt es keinen Spielraum, um große Futterreserven anzulegen. Und genau diese Reserven fehlen vielen Betrieben in einem Jahr wie diesem“, erklärt die Milchviehhalterin. Sie wundert sich nicht, dass so mancher Bauer gereizt reagiert, wenn ihm dann noch vorgeworfen wird, er sei an dem Wetterereignis selber schuld. Aus ihrer Sicht sind auch andere Verantwortliche mit in der Pflicht.

Die Diskussion unter Milchviehhaltern wie in Zukunft Krisen und Risiken zu begegnen ist oder noch besser, wie sie minimiert werden können, nimmt an Fahrt auf. Immer mehr Landwirte werden sich bewusst, dass sie Wege und Lösungen für ihre Betriebe finden müssen, um neuen Herausforderungen zu begegnen. Aktuell appellieren sie an alle Beteiligten, nicht mit dem Finger auf den anderen zu zeigen und sich so der Verantwortung zu entziehen, sondern gemeinsam „die Kuh vom Eis“ oder besser gesagt aus dem Staub zu bringen.

„Unsere Marktpartner müssen auf ihre Kunden zugehen und gute Konditionen anbieten, so dass die Betriebe ihre Stabilität erhalten können. Sicherlich braucht es auch gute Konditionen für Liquiditätskredite – aber die Betriebe haben die Kredite aus der Milchmarktkrise 2015 und 2016 noch längst nicht zurückzahlen können“, warnt die Sprecherin des schleswig-holsteinischen BDM. Auch praktische Hilfe sei jetzt angesagt: „Ein richtig gutes Beispiel in der Praxis ist die Initiative eines Lohn- und eines Zuchtunternehmens, die Vermittlung von Grundfuttermitteln für Betriebe mit hohen Ausfällen zu übernehmen. Hier müssen jetzt alle an einem Strang ziehen.“

Ganz besonders nehmen die Milchviehhalter ihre Abnehmer in die Pflicht. Von ihren Molkereien erwarten sie, dass sie in Verhandlung mit Industrie und Handel treten: „Unsere Molkereien müssen doch ein hohes Interesse daran haben, dass möglichst viele Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein diese Dürre überleben. Wir sind sicher, dass unsere Verbraucher angesichts dieser Lage großes Verständnis für moderat steigende Preise haben werden.“
Gemeinschaftsprojekt bedeutet für die Milchbauern auch, dass sich die Politik nicht immer wieder aus ihrer Verantwortung zieht: “Moderne Agrarpolitik heißt, in Deutschland und Europa Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen nachhaltige Erzeugung auch tatsächlich möglich ist. Dabei reden wir über eine wirtschaftliche Situation auf den Höfen, die eine Erzeugung auch unter den Anforderungen des Klimaschutzes ermöglicht. Mit dem derzeitigen Credo des „Immer billiger und immer Mehr“ kommen wir da nicht weiter, ist die klare Aussage der Milchviehhalter. Ebenso wenig mit wiederkehrenden Forderungen nach staatlichen Finanzspritzen, sobald die Ergebnisse einer verfehlten Agrarpolitik spürbar werden. Stattdessen fordert der BDM ein europäisches Instrument zur Vermeidung von Krisen am Milchmarkt – eine wichtige Voraussetzung zur nachhaltigen Milcherzeugung auf den Höfen auch in Schleswig-Holstein.

Zum Thema:

„GrundFutter-Nord“  ist das gemeinsame Ergebnis einer spontanen Initiative. Das Ziel ist, die rinderhaltenden Betriebe in der Region bei der Suche nach Grundfutter zu unterstützen. Die Grundfutter-Nord Internet-Seite steht allen kostenlos zur Verfügung und arbeitet nach dem Börsenprinzip, um Ihr Grundfutterangebote bekannt zu machen und Stroh und Futter direkt dahin zu vermitteln, wo es dringend gebraucht wird. Angebote und Anfragen nach Grundfutter können Sie unter www.grundfutter-nord.net einstellen und sich aktuell informieren.